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LG Stuttgart: Schätzung der Mietwagenkosten nach der Schwacke-Liste

Hintergrund

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf, BGH, Urteil vom 05.02.2013 - VI ZR 290/11 = NJW 2013, 1149; Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11 = NJW 2013, 1539. Darüber hinausgehende, bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war, BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11. Kann der Geschädigte eine solche Ausnahmekonstellation nicht nachweisen, hat er nur einen Anspruch auf Erstattung des jeweils angemessenen "Normaltarifes".

Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen "Normaltarifes" ist Sache des Tatrichters, § 287 ZPO. Als Schätzgrundlage stehen dem Tatrichter insbesondere zwei verschiedene Automietpreisspiegel zur Verfügung, einerseits der Fraunhofer-Mietpreisspiegel und andererseits die Schwacke-Liste. Die Schwacke-Liste weist wesentlich höhere Mietwagenkosten aus, und nicht wenige Autovermieter orientieren sich an dieser Höhe, was zu erheblichen Kürzungen durch die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners führt. Nach dem BGH steht es dem Tatrichter frei, ob er seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste oder den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde legt, so z.B. BGH, Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11. Der BGH stellt es somit den Instanzgerichten frei, wie sie den angemessenen "Normaltarif" ermitteln. Dies hat dazu geführt, dass sehr unterschiedliche Ansichten vertreten werden.

Einige Gerichte wenden ausschließlich die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage an, was für den Geschädigten günstig ist, z.B. OLG Köln, Urteil vom 26.02.2013 - 3 U 141/12; OLG Dresden, Urteil vom 18.12.2013 - 7 U 831/13. Die derzeit wohl herrschende Meinung nimmt eine Schadensschätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen (sogenannte "Fracke-Lösung") vor, um auf diese Weise die Schwächen der beiden Erhebungsmethoden auszugleichen, so z.B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2013 - 1 U 130/12; OLG Celle, Urteil vom 09.10.2013 - 14 U 51/13; OLG Hamm, Urteil vom 20.07.2011 - 13 U 108/10; OLG Köln, Urteil vom 01.08.2013 - 15 U 9/12; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014 - 1 U 165/11; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.12.2009 - 1 U 165/11. Wieder andere Obergerichte ziehen für die Schätzung allein den Fraunhofer-Marktpreisspiegel heran, so z.B. OLG Hamburg, Urteil vom 15.05.2009 - 14 U 175/08; OLG Frankfurt, Urteil vom 24.06.2010 - 16 U 14/10; OLG Köln, Urteil vom 21.08.2009 - 6 U 6/09; OLG München, Urteil vom 25.07.2008 - 10 U 2539/08; OLG Jena, Urteil vom 27.11.2008 - 1 U 555/07; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015 - I-1 U 42/14 und Urteil vom 21.04.2015 - I-1 U 114/14.

Die Entscheidung

Das Landgericht Stuttgart hat sich in mehreren aktuellen Entscheidungen, unter anderem mit Urteil vom 23.12.2015, Az. 5 S 149/15, der erstgenannten Ansicht angeschlossen und für den Landgerichtsbezirk Stuttgart ausschließlich die Schwacke-Liste, und dabei das arithmetische Mittel als taugliche Schätzgrundlage angesehen. Als Begründung führt das Landgericht Stuttgart an, dass die Schwacke-Liste genauer in der Erhebung sei und dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel hauptsächlich Internet-Angebote mit verbindlicher Buchungsmöglichkeit zugrunde liegen würden.

Praxistipp

Für einen Geschädigten ist es zunächst wichtig zu wissen, dass an ihn durch die Rechtsprechung bei der Auswahl der Mietwagenfirma bzw. des Mietwagentarifs durchaus erhöhte Anforderungen gestellt werden. Der Geschädigte muss sich daher, will er keine Zuzahlungen auf die Mietwagenkosten riskieren, vor der Anmietung um einen möglichst günstigen Tarif kümmern bzw. gegenüber der Mietwagenfirma klarstellen, dass er nicht bereit ist, Zuzahlungen zu leisten.

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