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Klemm & Wolfgramm & Kollegen
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Nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.09.1997, Az. 4 StR 638/96 = DAR 1997, 450, kommt ein Fahrverbot nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht ("Augenblicksversagen"). Denn handelt der Betroffene subjektiv nicht besonders verantwortungslos, bedarf es eines Fahrverbots zur Einwirkung auf ihn nicht.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 28.09.2013, Az.: 2 Ss BS 280/13 klargestellt, dass ein Richter den Vortrag des Betroffenen zu den Umständen eines möglichen Augenblicksversagens nicht einfach unberücksichtigt lassen darf, sondern sich im Urteil hiermit auseinandersetzen muss. Der Entscheidung lag eine Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde. Der Beschuldigte war mit 101 km/h statt erlaubter 60 km/h gemessen worden, weil er das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen hatte.
Das Amtsgericht hatte ein Augenblicksversagen verneint. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Straße aufgrund von Straßenschäden in einem äußerst schlechten Zustand befunden habe. Daher hätte sich dem Fahrer eine Geschwindigkeitsbegrenzung aufdrängen müssen. Das Oberlandesgericht erachtete die Feststellungen des Amtsgerichts als nicht ausreichend. Wie schlecht der Zustand der Straße tatsächlich war, wurde in dem Urteil nicht dargestellt. Rechtsfehlerhaft fehlten zudem Feststellungen, wie lang der Betroffene über die schadhafte Strecke gefahren war. Diese Punkte hätten gemäß dem OLG gewürdigt werden müssen, um ein Augenblicksversagen wirksam ausschließen zu können.
Bußgeldstellen und Gerichte müssen bei qualifizierten Verkehrsverstößen nur auf eine entsprechende Einlassung des Betroffenen der Frage nachgehen, ob die Tat lediglich auf einem einfach fahrlässigen Verhalten beruht, so BGH, Beschluss vom 11.09.1997, Az. 4 StR 638/96 = DAR 1997, 450. Dies bedeutet, dass im Verfahren konkrete Umstände dargelegt werden müssen, die für ein Augenblicksversagen sprechen. Die Situationen, in welchen ein Augenblicksversagen in Betracht kommt, sind vielfältig. Gleiches gilt jedoch auch für die Ausschlussgründe, so dass in jedem Einzelfall sehr genau geprüft werden muss, worauf ein Augenblicksversagen gestützt werden kann.