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Obliegenheitsverletzungen in der Kaskoversicherung

Sachverhalt

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und eine Vollkaskoversicherung. Der Ehemann der Klägerin verursachte in alkoholbedingt absolut fahruntüchtigem Zustand mit dem versicherten Fahrzeug einen Unfall, bei dem er und sein Beifahrer verletzt wurden sowie an dem Fahrzeug ein Totalschaden eintrat. Das Fahrzeug stand im Miteigentum der Klägerin und Ihres Ehemanns. Die Klägerin gab, um ihren Ehemann vor Strafe zu schützen, im Rahmen der Regulierung des (Haftpflicht-)Schadens des verletzten Beifahrers bewusst falsch an, sie selbst habe das Fahrzeug gefahren. Während der Regulierungsphase des Haftpflichtschadens wurde dann im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren über eine DNA-Analyse herausgefunden, dass der Ehemann der Fahrer des Fahrzeugs gewesen war. Anschließend nahm die Klägerin die Beklagte aus der Vollkaskoversicherung wegen des Fahrzeugschadens in Höhe von knapp 40.000 EUR in Anspruch.

Die Beklagte berief sich auf eine Leistungsfreiheit aufgrund des Fahrens des Ehemanns im Zustand der absoluten Fahrunsicherheit sowie aufgrund der Falschangaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen der Haftpflichtschadens-Abwicklung. Das Landgericht Karlsruhe gab der Beklagten Recht, und wies die Klage in der ersten Instanz ab.

Die Entscheidung

Das OLG Karlsruhe gibt der Klage der Klägerin mit Urteil vom 18.01.2013 - 12 U 117/12 zur Hälfte (in Höhe ihres Miteigentumsanteils) statt. Zur Begründung stellt das OLG folgendes klar:

Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin im Haftpflichtverhältnis ergreift nicht auch den Kaskoversicherungsschutz. Die Kraftfahrtversicherung ist keine Einheitsversicherung, sondern eine in einem Versicherungsschein nur formell zusammengefasste Mehrzahl von selbständigen Versicherungsverträgen. Daraus folgt, dass Gefahrerhöhungen, Anzeigepflicht- und Obliegenheitsverletzungen für die jeweilige Versicherung getrennt zu prüfen sind. Da zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung die Fahreridentität des Ehemanns der Klägerin geklärt und der Beklagten bekannt war, wirkte sich die Obliegenheitsverletzung im Haftpflichtverhältnis nicht auf die Regulierung im Vollkaskoverhältnis aus.

Das Führen des Fahrzeugs durch den Ehemann im Zustand der absoluten Fahrunsicherheit (über 1, 1 Promille) ist als objektiv und subjektiv grob fahrlässig zu betrachten, so bereits BGH, VersR 1989, 469. Der Beweis des ersten Anscheins spricht zudem für einen Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und Unfall, BGH, VersR 1991, 1367. Des Weiteren ist auch im Fall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles eine Leistungskürzung auf Null möglich, da das Führen eines Fahrzeugs im Zustand der absoluten Fahruntauglichkeit einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen darstellt und der Verschuldensgrad als vorsatznah zu beurteilen ist, vgl. hierzu umfassend OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.08.2010 - 7 U 102/10; BGH, Urteil vom 22.06.2011 - IV ZR 225/10 = NJW 2011, 3299. Der Verstoß durch den (mitversicherten) Miteigentümer hat somit zur Folge, dass die Beklagte dem anderen Miteigentümer, also der Klägerin, gegenüber nach §§ 81 Abs. 2, 47 VVG in Höhe der Miteigentumshälfte von der Leistung frei geworden ist.

Eine weitere Leistungsfreiheit der Beklagten bzgl. des Miteigentumsanteils der Klägerin selbst am Fahrzeug sei jedoch nicht gegeben. Eine Zurechnung des Fehlverhaltens des Ehemannes komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da dieser nicht als Repräsentant der Klägerin zu betrachten sei. Weder die Miteigentümerstellung noch die Eigenschaft als Ehemann führe dazu, dass dieser unter den Repräsentanten-Begriff falle. Die Repräsentantenstellung des Kraftfahrzeugführers setze voraus, dass ihm das Fahrzeug zur eigenverantwortlichen Nutzung anvertraut worden ist und er auch für die Unterhaltung und Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs zu sorgen hat, BGH, VersR 1996, 1229; OLG Frankfurt, r+s 2003, 146. Davon könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ausgegangen werden, da das Fahrzeug überwiegend von der Klägerin genutzt worden sein soll, die auch die Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen veranlasst habe.

Praxistipp

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe belegt, dass im Rahmen von Obliegenheitsverletzungen, die vom Versicherer geltend gemacht werden, sehr genau danach differenziert werden muss, wer die Obliegenheitsverletzung begangen hat, und ob die Verletzung auch tatsächlich Auswirkungen auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers hatte. Dabei muss zwingend zwischen dem Haftpflicht- und dem Vollkaskoversicherungsverhältnis unterschieden werden. Insbesondere bei Familienwagen ist die Beurteilung, ob eine Zurechnung des Fehlverhaltens dritter Personen möglich ist, teilweise sehr schwierig, und hängt stets von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab.

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